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Jugend debattiert News

Debatte und Aufklärung: Leitet uns der Verstand oder das Gefühl?

Allgemeines

Die Prinzipien unserer Demokratie wurzeln in den Ideen der Aufklärung. Welche Bedeutung haben die Werte Freiheit, Gleichberechtigung und Toleranz heute? Mit dieser Frage befasst sich das Deutsche Historische Museum Berlin am 21. März beim Festival „Aufklärung now“ aus der Perspektive von jungen Menschen. Jugend debattiert wird sich mit einer Schaudebatte beteiligen. Welche Rolle Debatten in aufgeklärten Gesellschaften spielen, das beleuchten wir im Vorfeld in einer dreiteiligen Serie.

 

Teil 2: Gefühle versus Verstand – was leitet uns bei der Meinungsbildung?

3 Fragen an die Historikerin Ute Frevert

1. Die Aufklärung setzt auf die Vernunft und den Mut, eigenständig den Verstand zu benutzen. Welche Rolle spielen Gefühle bei der Meinungsbildung?

Schon im 18. Jahrhundert wusste man um die Macht der Gefühle; schottische Aufklärer wie David Hume und Adam Smith haben da genau hingeschaut. Smith verdanken wir nicht nur die Bibel des Kapitalismus, sondern auch eine kluge Theorie moralischer Empfindungen mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für sympathy – was wir jetzt Empathie nennen. Ohne die Fähigkeit und Bereitschaft zum Mitfühlen, so seine bis heute wegweisende These, findet Gesellschaft nicht statt. Menschen kommunizieren durch und über Gefühle, sie lassen sich in ihren Urteilen und Meinungen von Gefühlen leiten. Gefühle signalisieren, was ihnen wichtig ist und was nicht, wofür sie sich einsetzen und wovon sie sich fernhalten. Das ist weder gut noch schlecht; es ist einfach so.

Gefühle sind „der Vernunft“ oder „dem Verstand“ auch nicht prinzipiell entgegengesetzt. Viele Gefühle sind ausgesprochen vernünftig – die Angst vor bissigen Hunden etwa oder vor dem Klimawandel. Ohne Vertrauen oder Hoffnung könnten wir nicht (über-)leben. Ohne Liebe auch nicht (auch wenn sie manchmal unvernünftig ist, aber auch das gehört zum Lebendigsein). 

2. Wie können Emotionen positiv für unsere Debattenkultur genutzt werden?

Je leidenschaftlicher eine Debatte geführt wird, umso wichtiger ist sie. Denn Leidenschaft zeigt, dass die Debattierenden stark interessiert und engagiert sind, dass ihnen das, worum es geht, viel bedeutet. Aber Leidenschaft muss moderiert werden, auch das hat Adam Smith schon beobachtet, damit sie Kommunikation und Verständigung nicht verhindert. Außerdem sollten die Debattierenden ihre emotionale Intelligenz schulen und die Gefühle ihres Gegenübers (und ihre eigenen) lesen lernen. Denn dann merken sie, was die Debatte tatsächlich anfeuert, und können „vernünftig“ damit umgehen.

3. Gerät das Prinzip Aufklärung heute an seine Grenzen, weil gefühlte Wahrheiten Fakten und Argumente überstrahlen?

Das Problem sind nicht die Gefühle, sondern ihre Verabsolutierung und die Abschottung gegen die Gefühle anderer. Gefühle sind eigentlich ein wunderbares Instrument, um miteinander ins Gespräch zu kommen und sich über sie auszutauschen. Wovor hat jemand Angst? Von wem fühlt er oder sie sich bedroht? Wogegen richtet sich Abneigung? Wem vertraut man? Wenn Gefühle aber dafür herhalten, sich gegen ein solches Gespräch zu wehren und die Krallen auszufahren, ist die Chance zum Dialog vertan.

 

Ute Frevert ist Historikerin und wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft. Von Januar 2008 bis 2024 war sie Direktorin des Forschungsbereiches „Geschichte der Gefühle“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. 2024 veröffentlichte sie das Buch „Verfassungsgefühle: Die Deutschen und ihre Staatsgrundgesetze“.

Das „Aufklärung now“-Festival im Deutschen Historischen Museum in Berlin findet am 21. März 2025 von 17:00 bis 23:00 Uhr statt. Junge Menschen präsentieren dort ihre Perspektiven auf die Aufklärung. Die Schaudebatte von Jugend debattiert wird die Frage verhandeln, ob der Staat in seiner Außendarstellung Bezüge auf das Zeitalter der Aufklärung minimieren soll. Der Eintritt ist frei. 

 

 

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